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Arbeiten mit einer Produktvision

Lesedauer ca. 8 Minuten
09.04.2024

Im ersten Teil haben wir uns den wichtigsten Bausteinen sowie Strategien zur Erstellung einer Produktvision gewidmet. Heute möchten wir den Fokus darauf legen, wie man mit einer Produktvision arbeitet und wo sich diese am besten in die agile Softwareentwicklung integrieren lässt.

Die Produktvision dient nicht nur als Leitfaden für die Entwicklung eines Produkts, sondern nimmt bei richtigem Einsatz auch in verschiedenen Phasen des Produktlebenszyklus eine wichtige Rolle ein. Von der Festlegung der Produktstrategie bis hin zur operativen Entwicklung des Produkts kann die Vision als Orientierungspunkt dienen. Sie stellt sicher, dass alle Aktivitäten auf die Verwirklichung der Vision ausgerichtet sind.

Ein wesentlicher Aspekt bei der Arbeit mit einer Produktvision ist die regelmäßige Überprüfung, ob die Vision bereits erfüllt wurde oder ob noch Anpassungen erforderlich sind. Hierbei können Kennzahlen aus der Vision abgeleitet werden, um den Fortschritt und den Erfolg bzw. Mehrwert für die Nutzenden des Produkts zu messen.

Beispiele Kennzahlen:

  • Anzahl der Nutzungen des Produkts
  • Zufriedenheit der Nutzenden
  • quantifizierbarer Mehrwert, den das Produkt bietet

Durch die regelmäßige Messung und Analyse der Kennzahlen kann das Entwicklungsteam besser verstehen, wie gut die Vision umgesetzt wird und welche Bereiche möglicherweise verbessert werden müssen. Insgesamt ermöglicht die Arbeit mit einer Produktvision eine gezielte und strategische Ausrichtung der Produktentwicklung.

Im Nachfolgenden werden wir die Bedeutung und praktische Anwendung von Product Principles, Product Strategy, Product Roadmap und Product Goals für die Entwicklung und Umsetzung von Produktvisionen in agilen Softwareprojekten näher erläutern.

Product Principles

Product Principles sind die grundlegenden Werte und Überzeugungen, die jeder Handlung und Entscheidung im Zusammenhang mit einem Produkt zugrunde liegen sollten. Sie bilden den Rahmen, der die Ausrichtung und Entwicklung des Produkts lenkt und sicherstellt, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen.

Indem sie klare Leitlinien für das Handeln vorgeben, ermöglichen Product Principles eine konsistente und zielgerichtete Produktentwicklung. Sie dienen als Orientierungspunkt für das gesamte Entwicklungsteam und helfen dabei, Prioritäten zu setzen und Entscheidungen zu treffen, die im Einklang mit der zugrunde liegenden Produktvision stehen.

Beispiele Product Principles:

  • „Wenn möglich, bevorzugen wir den Einsatz von nachhaltigen und umweltschonenden Lösungen.“
    • Dieser Grundsatz verdeutlicht das Engagement des Unternehmens für Umweltschutz und Nachhaltigkeit und legt den Fokus auf die Entwicklung von Produkten, die die Umweltbelastung minimieren.
  • „Die Kunden sind uns wichtiger als die Marktplatzpartner.“
    • Dieser Grundsatz betont die Wichtigkeit der Kundenorientierung und unterstreicht das Bestreben, Produkte zu entwickeln, die den Bedürfnissen und Wünschen der Kunden gerecht werden, auch wenn dies gegebenenfalls zu Konflikten mit anderen Partnern führen könnte.
  • „Unser Produkt ist Mobile First.“
    • Dieser Grundsatz legt fest, dass bei der Entwicklung des Produkts die mobile Nutzererfahrung oberste Priorität hat. Das spiegelt die Bedeutung wider, die mobilen Technologien heutzutage zukommt und stellt sicher, dass das Produkt optimal auf die Bedürfnisse der mobil Nutzenden zugeschnitten ist.

Product Principles bilden eine wichtige Grundlage für eine erfolgreiche Produktentwicklung. Sie definieren klar die Werte und Überzeugungen des Unternehmens und stellen sicher, dass diese in jeder Phase des Produktlebenszyklus berücksichtigt werden.

Product Strategy

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Sind die Product Principles erst einmal festgelegt, kann mit der Ausarbeitung einer Product Strategy begonnen werden. Die Product Strategy baut auf den zuvor definierten Prinzipien auf und setzt sie in einen umfassenderen Kontext. Sie definiert die langfristigen Ziele, Richtungen und Maßnahmen, die es benötigt, die gewünschten Ergebnisse zu erreichen und die Vision erfolgreich umzusetzen.

Um effektiv zu sein, sollte eine gute Product Strategy drei wesentliche Elemente umfassen:

  1. Diagnose: Dieses Element definiert bzw. erklärt die Herausforderungen und Hindernisse, die es zu überwinden gilt. Es ist wichtig, eine klare Analyse der aktuellen Situation vorzunehmen, um die zugrunde liegenden Probleme zu verstehen und gezielte Lösungen zu entwickeln.

  2. Leitbild und Leitlinien: Hier werden die Werte, Prinzipien und Richtlinien festgelegt, nach denen das Entwicklungsteam vorgehen soll. Sie dienen als Rahmen für den Umgang mit den identifizierten Herausforderungen und legen den Kurs für die Produktentwicklung fest.

  3. Maßnahmen: Dieses Element umfasst eine Sammlung von konkreten Maßnahmen, die dabei unterstützen, das Leitbild zu erfüllen und die definierten Herausforderungen bestmöglich zu bewältigen. Es beinhaltet strategische Entscheidungen und Aktivitäten, die darauf abzielen, die Produktvision zu verwirklichen und die gewünschten Ergebnisse zu erzielen.

Die Product Strategy stellt ein wesentliches Instrument dar, um eine klare Ausrichtung und Fokussierung in der Produktentwicklung zu gewährleisten. Durch die Integration von Diagnose, Leitbild und Leitlinien sowie konkreten Maßnahmen kann das Entwicklungsteam effektiv auf die Verwirklichung der Produktvision hinarbeiten und erfolgreich auf Herausforderungen reagieren.

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Product Roadmap

Die Product Roadmap ist unerlässlich, um die nächsten Schritte der Produktentwicklung aufzuzeigen und einen strategischen Fahrplan für das Entwicklungsteam zu skizzieren. Sie verweist auf die Reihenfolge der Themen und stellt sicher, dass die Produktvision in den zukünftigen Aktivitäten widergespiegelt wird.

Eine aussagekräftige Product Roadmap beantwortet wichtige Fragen und bietet Klarheit für das gesamte Entwicklungsteam:

  1. Warum wird an einer bestimmten Herausforderung gearbeitet? Die Roadmap sollte die strategischen Ziele und Herausforderungen des Produkts klar kommunizieren, um dafür zu sorgen, dass alle Teammitglieder das übergeordnete Ziel verstehen und auf dieses hinarbeiten.

  2. Was steht als Nächstes an? Sie zeigt die nächsten Schritte und Meilensteine auf, die erreicht werden müssen, um die Produktvision zu verwirklichen. Dies ermöglicht es dem Entwicklungsteam, den Fortschritt zu verfolgen und die Prioritäten zu setzen.

  3. Warum wird diese Sache zuerst gemacht und nicht eine andere? Die Roadmap erklärt die Reihenfolge der geplanten Aktivitäten und gibt Aufschluss darüber, warum Aufgaben priorisiert werden. Sie hilft dabei, Ressourcen effizient einzusetzen und sicherzustellen, dass die wichtigsten Herausforderungen zuerst abgearbeitet werden.

Die Product Roadmap ist der Leitfaden für das gesamte Entwicklungsteam und trägt dazu bei, dass alle an einem Strang ziehen, um die gemeinsamen Ziele zu erreichen. Sie bietet Orientierung, Transparenz und eine klare Ausrichtung auf die Produktvision, was essenziell für den Erfolg eines Produkts ist.

Product Goal

Das Product Goal wird von der Produktvision abgeleitet und gilt für einen Zeitraum von 6 bis 12 Monaten. Es beschreibt den spezifischen Mehrwert, den das Produkt innerhalb dieses Zeitraums bieten soll, und dient als Referenzpunkt, um sämtliche Arbeit des Entwicklungsteams darauf auszurichten. Vielmehr steht dabei die Definition des Mehrwerts im Vordergrund und nicht die konkrete Umsetzung einer Lösung.

Ein aussagekräftiges Product Goal sollte klar und präzise formuliert sein und den Nutzen für die User bzw. Kunden deutlich machen. Es dient dazu, die Richtung für die Produktentwicklung vorzugeben und sicherzustellen, dass alle Aktivitäten darauf ausgerichtet sind, diesen Mehrwert zu schaffen.

Beispiele Product Goals:

  • „Menschen können durch uns begreifen, wie viel Strom sie selbst erzeugt haben.“
  • „Unsere Kunden können sich mit anderen, auch der DACH-Region vernetzen.“
  • „Erik kann auch Online-Einkäufe in seiner Konsumanalyse berücksichtigen.“

Die Beispiele verdeutlichen, wie das Product Goal den spezifischen Mehrwert beschreibt, den das Produkt bieten soll, ohne sich auf die konkrete Umsetzung einer Lösung festzulegen. Es bietet somit eine klare Ausrichtung für das Entwicklungsteam und trägt dazu bei, dass die Arbeit effektiv auf die Erreichung der definierten Ziele ausgerichtet ist.

Wie starten?

Um mit der Entwicklung einer Produktvision zu beginnen, ist es wesentlich, einen strukturierten und partizipativen Ansatz zu verfolgen, der alle relevanten Stakeholder miteinbezieht. Hier sind einige Schritte, die dabei helfen können:

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  1. Gemeinsame Erstellung: Der Prozess zur Entwicklung der Produktvision sollte gemeinsam mit allen Beteiligten gestartet werden. Wichtig dabei ist, eine moderierende Rolle zu bestimmen. Diese sorgt für eine geführte Diskussion und hilft, den Fokus zu behalten.

  2. Kommunikation: Die Produktvision ist so häufig wie möglich zu teilen, um sicherzustellen, dass sie allen bekannt ist. Erst wenn sich die Kommunikation über die Vision zu oft anfühlt, hat man wahrscheinlich die richtige Frequenz erreicht.

  3. Controlling: Regelmäßiges Controlling unterstützt dabei, zu überprüfen, wie gut sich das Entwicklungsteam in die Richtung der Produktvision bewegt. So können Anpassungen vorgenommen werden und es wird sichergestellt, dass alle auf Kurs bleiben.

  4. Integration in die Arbeit: Die Vision ist in die strategische und alltägliche Arbeit zu übertragen, bspw. durch Festlegung von Sprintzielen, die sich aus der Produktvision oder dem Product Goal ableiten.

  5. Dialog und Reflexion: Um sicherzustellen, dass alle Beteiligten über ein gemeinsames Verständnis verfügen, sind regelmäßige Diskussionen über die Vision sowie ein Abgleich der Gedanken dazu unerlässlich.

  6. Sprintziele und Reviews: Es ist wichtig, Sprintziele zu formulieren, die direkt aus der Produktvision oder dem Product Goal abgeleitet sind. Reviews helfen dabei zu reflektieren, wie nahe man der Verwirklichung der Vision gekommen ist.

  7. Offene Kommunikation: Das Teilen von Kennzahlen und Beobachtungen mit allen Beteiligten schafft Transparenz und fördert das Verständnis für den Fortschritt.

  8. Einbezug in die Planung: Damit die Produktvision als Leitfaden für alle Entscheidungen und Aktivitäten dient, sollte diese zu Beginn jeder Planung nochmals erwähnt werden.

  9. Visuelle Darstellung: Eine Visualisierung der Produktvision im Teamraum hilft, diese ständig präsent zu halten und das Bewusstsein dafür zu schärfen.

Wer diese Schritte befolgt, stellt sicher, dass die Produktvision klar definiert ist, von allen verstanden wird und als Leitfaden für die gesamte Produktentwicklung dient.

Eine klare Produktvision ist der Schlüssel zum Erfolg in agilen Softwareentwicklungsprojekten. Sie schafft eine gemeinsame Richtung und sorgt dafür, dass alle im Team wissen, wohin die Reise geht. Durch die regelmäßige Kommunikation und das gemeinsame Verständnis der Vision können Teams effektiv zusammenarbeiten und Prioritäten setzen. Eine Produktvision ist ein praktisches Werkzeug, das dabei hilft, Ziele zu erreichen und User bzw. Kunden besser zu verstehen. Letztendlich ist sie wie eine Art Kompass, der das Team durch die Herausforderungen der Softwareentwicklung navigiert. Mit ihr gelingen Softwareprojekte, die wirklich einen Unterschied machen.